Intensiv, üppig und Trockenobst

Wo der Geschmack zum Leben erwacht

In den nächsten zwölf Monaten wird uns Society-Mitglied Julien Willems intensive und köstliche Einblicke in jedes der zwölf Geschmacksprofile unserer Society geben. Gibt es etwas Schöneres als sich an einem kalten Wintertag mit einem perfekten «Intensiv, üppig und Trockenobst»-Tropfen, aufzuwärmen?

Wir alle haben in unserem Leben unterschiedliche Erfahrungen gesammelt und wir alle nehmen Duft und Geschmack sehr unterschiedlich wahr. Nicht selten ist das, was wir in einem Whisky schmecken oder zu schmecken glauben, in Wirklichkeit ein Mosaik von mehreren sich überlagernden Verbindungen. Letztere wecken bei uns Erinnerungen an eine reale, greifbare Zutat, an eine Frucht oder einen Gegenstand, die beziehungsweise der tatsächlich gar kein Bestandteil des Rezepts des Whiskys ist.

Wenn das Wetter winterlich, die Tage kürzer und die Nächte länger werden, sind wir alle dankbar, wenn wir uns mit einem exquisiten Tropfen verwöhnen können. Mit Blick auf den Genuss gibt es ein Geschmacksprofil, das sehr viele von uns anspricht und Sie haben es sicher schon erraten: In diesem Monat möchten wir Ihnen einen Einblick in die Geheimnisse von «Intensiv, üppig und Trockenobst» geben.

Bei der Whiskyreifung geht es in erster Linie um die Suche nach dem Gleichgewicht zwischen der Natur der Spirituose und den Einflüssen des Fasses.

Jedes Profil hat einen anderen Gleichgewichtspunkt und im Fall von Intensiv, üppig und Trockenobst-Whiskys liegt er oft näher am Fass als an der Destillation.

Auf den ersten Blick beschreibt «Intensiv» die Tiefe der Farbe. Dr. Andy Forrester, Spirits Educator der Society, erklärt: «Es besteht, insbesondere bei der Europäischen Eiche, ein direkter Zusammenhang zwischen der Farbe und dem Gehalt an Holzextrakten, insbesondere an Tanninen. Tatsächlich wissen wir noch nicht im Detail, durch welche Prozesse die Farben entstehen.»

Es geht aber um weit mehr als nur um die Farbe. Ebenso faszinierend, reichhaltig und verführerisch sind die Aromen. Die Chemie der Fassreifung birgt noch viele Geheimnisse. Einige Prozesse sind jedoch sehr wohl bekannt und sie sind die Schlüssel zur Herstellung eines so intensiven und ausgefallenen Whiskys – aber auch jedes anderen Whiskys. Der entscheidende unter ihnen ist in diesem Fall die Wärmebehandlung der Fässer.

Dr. Forrester erläutert: «Wärmebehandlungen wie das Toasten helfen dabei, das Lignin, einen Grundbestandteil des Holzes, in eine Vielzahl von Verbindungen aufzuspalten. Einige von ihnen sind geschmacksaktiv, andere sind kaum oder gar nicht wahrnehmbar.»

Die Tannine, die auch den Weinliebhabern unter uns gut bekannt sein dürften, können zu einem trockenen und pudrigen Mundgefühl führen. Vanillin und Guajakol sorgen für vanillige bzw. rauchig-würzige Aromen (man denke eher an ein rauchiges Barbecue als an medizinisches TCP). Fügt man einige aus der Eiche extrahierte Lactone hinzu, könnte das Ergebnis ein schokoladiger Geschmack sein, der häufig mit in Sherryfässern gereiften Whiskys in Verbindung gebracht wird.

Lassen Sie sich jedoch nicht auf den Holzweg führen, denn dieses Geschmacksprofil ist nicht nur auf die Sherry- bzw. Weinfässer zurückzuführen. Viele Whiskys, die in «Intensiv, üppig und Trockenobst» enthalten sind, stammen aus unterschiedlichen Fassarten,
z. B. aus erneut ausgebrannten Hogsheads (siehe Abfüllung 68), stark getoasteten oder ausgebrannten Fässern, aus neuen Eichenfässern (siehe einige besonders aussergewöhnliche Beispiele der Abfüllung 35) und entweder aus europäischer oder aus amerikanischer Eiche.

Die Art der Eiche, die zuvor im Fass gelagerte Flüssigkeit und die Spirituose allein sind keine Garantie dafür, dass der Whisky ein bestimmtes Geschmacksprofil annimmt.

Sicher ist jedoch, dass ein «Intensiv, üppig und Trockenobst»-Whisky ein sehr aktives Fass benötigt, und um dies zu erreichen, ist eine gute Wärmebehandlung unerlässlich.

Die Kreation eines «Intensiv, üppig und Trockenobst»-Whiskys erfordert Zeit, Geschick und, um ehrlich zu sein, auch ein kleines bisschen Glück. Die Kombination von schwereren Destillaten (siehe Abfüllungen 36, 37, 44 und 76) mit aktiveren Fässern oder die Suche nach Gefässen, die zu «leichteren» Destillaten passen (Abfüllungen 9, 28 und 46, zum Beispiel), erfordert ein hohes Mass an Wissen und eine entsprechend vielfältige Auswahl an Fässern. Auch bei den getorften Destillaten ist grösste Sorgfalt geboten: Es ist alles andere als einfach, ein Fass zu finden, das aktiv genug ist, um ein – wenn auch nur leicht – getorftes Destillat in das «Intensiv, üppig und Trockenobst»-Profil einzurühren. … und schliesslich bedarf es einer ganz besonderen Hingabe, um dem Verlangen widerstehen zu können, die Flaschen abzufüllen, bevor sie ihren Höhepunkt erreicht haben – vor allem dann, wenn sie von Anfang an aussergewöhnlich gut sind. Etwas Geduld und Zeit sind immer gute Ratgeber!