Stark getorft

Wo der Geschmack zum Leben erwacht

Im vergangenen Monat sind wir vom Festland zu den Hebriden und nach Orkney gesegelt, um uns etwas eingehender mit dem Thema Torf zu beschäftigen. Auf der Rückreise wurde unser Schiff von einem teuflischen Herbststurm heimgesucht und wir schafften es nicht bis zum Hafen zurück.

Deshalb steuerten wir die nächstgelegene Landzunge an und hofften auf das Beste. Der gestrandete Julien Willems hat den Sturm überstanden und erzählt heute das letzte Kapitel unserer Geschichte über die drei getorften Geschmacksprofile der Society. Erfahren Sie, welche Geheimnisse sich hinter unseren stark getorften Tropfen verbergen.

Eine brennende Frage

Beginnen wir also mit der Geschichte des Geschmacksprofils Heavily Peated der Society. Wie wir bereits bei unseren bisherigen Entdeckungstouren gesehen haben, spielt die Herkunft des Torfs für den getorften Whisky in der Tat eine Rolle, denn sie kann sich auf die Aromen auswirken, die wir in unseren Drams wahrnehmen. Der Torf ist wichtig und je intensiver das Malz geräuchert wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass der daraus entstehende Whisky torfiger und rauchiger ist. In einer Welt, die von immer extremeren Wetterphänomenen gebeutelt wird, wirft dies jedoch eine Reihe von Fragen auf: Wie viel Torf wird von der schottischen Whisky-Industrie verwendet? Und: Wie nachhaltig ist diese Verwendung?

Die Whiskyproduzenten sind sich der Problematik der Torfverbrennung bereits seit einiger Zeit sehr bewusst. Torf ist technisch gesehen ein fossiler Brennstoff, der Kohlenstoff speichert, der wiederum in Pflanzen enthalten ist, die vor Tausenden von Jahren gewachsen sind. Es handelt sich bei Torf um ein reichlich vorhandenes Material. Ein Teil des in Schottland für die Whiskyherstellung gewonnenen Torfs stammt jedoch aus Hochmooren des Tieflands und somit aus einem ganz besonderen Ökosystem, das in unseren modernen Zeiten massiv unter Druck geraten ist. Laut Angaben der Naturschutzorganisation Wildlife Trusts sind 94 Prozent der Hochmoore des Vereinigten Königreichs aufgrund von menschlichem Handeln verschwunden. Sie wurden im Verlauf der vergangenen einhundert Jahre trockengelegt, um Bäume zu pflanzen, Getreide anzubauen oder Häuser zu errichten. Eine solch extreme Situation übt einen unermesslichen Druck auf die biologische Vielfalt aus und hat für die Umwelt ganz allgemein erschreckende Auswirkungen. Diese Torfmoore sind nicht nur Kohlenstoff senken. Sie wirken auch wie riesige Schwämme, da sie Wasser einspeichern, das sie langsam filtern. So schützen sie die Menschen vor Dürre und Überschwemmungen.

Um es kurz zu machen: Die Scotch Whisky Association, die sich als Handelsorganisation und Vertreterin der gesamten schottischen Whisky-Industrie versteht, hat sich in Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Umweltschutzorganisationen das Ziel gesetzt, die Branche bis zum Jahr 2040 CO2-neutral zu machen. Dazu bedarf es einiger gravierender Veränderungen und kluger Antworten auf komplexe und weitreichende Fragen in Bezug auf die Energieerzeugung, das Mälzen und die Destillation sowie die Verpackung, die Lieferkette und den Vertrieb. Es gibt jedoch gute Gründe zur Hoffnung, da viele neue Unternehmen stark auf nachhaltige Strategien setzen (siehe zum Beispiel Nc’nean, Ardnamurchan und GlenWyvis).

Dieser für das Jahr 2040 geplante Meilenstein wird sich in der schottischen Whisky-Industrie sehr stark auf die Verwendung das Torfs auswirken. Die Hochmoore des Tieflands sind sehr empfindlich. Die schottische Whisky-Industrie verwendet nur vier Prozent des aus diesen Ökosystemen gestochenen Torfs (der überwiegende Teil wird von der Gartenbauindustrie gestochen). Selbst eine scheinbar kleine Menge Torf aus diesen uralten Böden kann jedoch irreparable Schäden anrichten. Stellen Sie ihn sich wie einen saftigen, mit getorftem Whisky durchtränkten Schokoladenfondant vor. Wenn Sie von diesem mit einem Löffel ein Stückchen abstechen, wird sich die Schokolade garantiert über Ihren gesamten Teller ergiessen – egal wie klein das Stückchen auch sein mag. In Bezug auf ein Dessert mag das wunderbar klingen; mit Blick auf ein Torfmoor lässt sich das jedoch nicht sagen. Das Austreten von Flüssigkeit führt zu einem niedrigeren Grundwasserspiegel und somit, aufgrund der Sauerstoffeinwirkung und den trockeneren Bedingungen, zu einem schnelleren Zerfall des Torfs. So werden grosse Flächen, die bislang als Kohlenstoffspeicher dienten, plötzlich zu einer nicht minder grossen Quelle für Emissionen von Kohlenstoffdioxid.

Nichts für Zartbesaitete

Mit Blick auf die Destillation lässt sich das Brennen von getorftem Malz ein wenig wie ein Spaziergang am Rande einer Klippe beschreiben. Je mehr Phenole der Destillateur in seinem Whisky haben möchte, desto länger muss er die Destillation vorantreiben. Tatsächlich wollen «Phenole nicht destilliert werden», wie Dr. Barry Harrison vom Scotch Whisky Research Institute es auf humorvolle Art ausdrückt. Diese Moleküle haben natürlich keinen eigenen Willen. Aber sie haben einen viel höheren Siedepunkt als Ethanol, Fruchtester und sogar Wasser. Daher gelangen sie erst später während der Destillation in grösseren Mengen in die Brennblase und sind teilweise erst im Nachlauf enthalten (Aromen von Schweiss, Käse und alten Socken).

Das kann natürlich zu Problemen führen. Aber glücklicherweise üben Phenole auf andere Aromen einen starken Maskierungseffekt aus, da wir quasi darauf programmiert sind, sie selbst in kleinsten Mengen aufzuspüren. Das heisst jedoch nicht, dass man es übertreiben darf. Der Nachlauf ist generell unwillkommen und seine Aromen werden nicht unbemerkt bleiben. Damit die Destillation rein bleibt, haben die Destillateure jedoch noch weitere Hilfsmittel, um die schwereren, öligen und medizinisch schmeckenden Verbindungen durch die Brennblasen zu leiten. Dr. Harrison erklärt: «Es ist immer sinnvoll, die Hindernisse zu beseitigen, die ihren Durchgang durch den Destillierapparat verhindern würden.»

Ein solches Hindernis ist zum Beispiel der Lyne-Arm, ein Rohr, das am oberen Ende des Pot-Still-Halses vom Schwanenhals ausgeht. Wenn er nach oben gerichtet ist, gilt die Faustregel, dass öligere und schwerere Verbindungen generell kondensieren und in den Topf zurücktröpfeln, wodurch ein hoher Alkoholgehalt und ein leichterer Spirit entstehen.

Wenn der Lyne-Arm nach unten gerichtet ist, kühlt das schwere Material zwar ab, bevor es auf die Kondensatoren trifft, es entsteht aber dennoch eine öligere und schwerere Spirituose. Die Anatomie des Destillierapparats spielt daher eine wichtige Rolle. Sie ist aber nicht der einzige Faktor.

Dr. Andy Forrester, Spirits Educator bei der SMWS, erklärt dies aus Sicht der Forschung wie folgt: «Es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte aromatische Elemente, die mit Torf assoziiert werden, selbst dann erhalten bleiben, wenn die Phenole aus dem Whisky extrahiert werden.» So überraschend dies klingen mag, so zeigt es auch – wie wir schon häufiger festgestellt haben – dass manche Dinge nicht so einfach sind, wie die Bestimmung der ppm-Anzahl (parts per million) von Phenolen in getorfter Gerste. Phenole spielen bei der Entstehung der Aromen, die wir in unserem Geschmacksprofil «Heavily Peated» wahrnehmen, offensichtlich eine grosse Rolle. Wir sind uns jedoch nicht gänzlich darüber im Klaren, welche weiteren Geheimnisse hinter dem Rauch lauern und zu den Aromen führen, die wir als getorft oder verbrannt wahrnehmen. Die Geschichte könnte noch weitergehen. Aber der Sturm scheint vorüber zu sein. In der Ferne können wir schneebedeckte Berggipfel erkennen, die von mondbeschienenen Wolken verschluckt werden. Doch auch wenn Sturm und Dunkelheit hereinbrechen, arbeiten unsere fleissigen Mälzer, Destillateure und Forscher trotzdem unermüdlich weiter. Ich hoffe, Sie schliessen sich mir an, um sie im Geiste zu unterstützen, indem Sie sich einen «Heavily Peated» Dram einschenken.

Weitere Informationen von Wildlife Trusts über die Hochmoore