Über alle Grenzen hinweg

Zum Auftakt der Saison der Whisky-Festivals präsentiert die Society sechs „Rare Release“-Abfüllungen, um jede der schottischen Whisky-Regionen zu feiern. Aus diesem Grund möchten wir erläutern, wie wir zu unseren aktuellen Definitionen gekommen sind und was sie eigentlich bedeuten. Iain Russell schreibt über die Frage nach den Regionen.

Auf den ersten Blick erscheinen die rechtlichen Definitionen eindeutig zu sein. Die Scotch Whisky Regulations von 2009 legen genaue geografische Grenzen für zwei „geschützte Orte“ – Islay und Campbeltown – und drei „geschützte Regionen“ – Highland, Lowland und Speyside – fest. Nur Brennereien, die in dem jeweiligen Gebiet ansässig sind, dürfen den Namen auf ihren Etiketten verwenden.

Doch es gibt jede Menge Ausnahmen. Speyside liegt innerhalb der Grenzen der Highland-Region und es gibt einige Speyside-Marken, wie z. B. Macallan, die als Highland Single Malt Scotch Whisky gekennzeichnet sind.

Campbeltown liegt innerhalb der Grenzen der Lowlands und so könnte sich Springbank als Lowlander bezeichnen (tut es aber nicht) – obwohl er in der Vergangenheit als West Highlander bezeichnet wurde.

Und obwohl Islay als eigenständiger Ort bezeichnet wird, werden die anderen Insel-Destillerien in der riesigen Highland-Region zusammengefasst – mit Ausnahme der Brennereien auf der Isle of Arran, von denen eine (Lochranza) in den Highlands liegt, während die andere (Lagg) zu den Lowlands zählt.

Schwirrt Ihnen schon der Kopf? Das hört auf, sobald Sie weiterlesen!

ZURÜCK ZU DEN WURZELN

Um die schottischen Whisky-Regionen zu verstehen, müssen Sie deren Ursprünge und die Zwecke, denen sie dienen sollten, verstehen.

Zunächst einmal gibt es die Regionen, die aus rechtlichen und steuerlichen Gründen festgelegt wurden und gesetzlich definiert sind. Und dann (oft damit verbunden) gibt es die Regionen, die sich als Mittel zur Gruppierung und Charakterisierung der dort hergestellten Whiskys entwickelt haben – stark beeinflusst vom Beispiel der Weinregionen in Frankreich.

Beginnen wir am Anfang – vor langer, langer Zeit …

Der Wash Act von 1784 sollte die eher chaotische und ineffiziente Regulierung und Erhebung von Zöllen auf britische Spirituosen reformieren. Da die Brennereien in den schottischen Highlands mit anderen Herausforderungen konfrontiert waren als anderswo im Land und im Allgemeinen kleinere Destillieranlagen verwendeten, galten für sie andere Vorschriften als für die Brennereien in den Lowlands.

Für die Zwecke des ursprünglichen Gesetzes wurden die Highlands sehr weit gefasst und enthielten den grössten Teil der schottischen Landmasse nördlich des Zentralen Tieflandgürtels. Die Definition wurde mehrmals geändert und die Grenzen verschoben (einschliesslich der kurzzeitigen Einführung einer „Zwischenzone“), bevor das Highland-Gebiet 1816 abgeschafft und die Vorschriften einheitlich angewendet wurden.

Die rechtlichen Trennungen hatten jedoch die landläufigen Vorstellungen über die allgemeinen Merkmale von Highland- und Lowland-Whiskys bestätigt: dass die nördlich der Highland-Linie hergestellten Whiskys (manchmal auch als „North Country“-Whiskys bezeichnet) tendenziell gross und vollmundig waren und in kleinen Destillieranlagen aus gemälzter Gerste gebrannt wurden, während die aus den Lowlands stammenden Whiskys entweder in Pot Stills, oft aus gemischtem Getreide und dreifach destilliert, oder (nach den 1830er Jahren) in Patent Stills hergestellt wurden, um einen weicheren, milderen, „stillen“ Whisky zu erhalten.

Die Whiskytrinker und der Spirituosenhandel lernten auch die Unterregionen Schottlands zu erkennen und zu schätzen. Die erste davon war Ferintosh. Die Brennereien auf diesem kleinen Landgut nördlich von Inverness durften von 1689 bis 1784 zollfrei destillieren, wenn der Eigentümer des Landguts eine geringfügige jährliche Zahlung leistete. „Ferintosh“ wurde zum berühmtesten Namen unter den schottischen Whiskys und die Whiskys des Anwesens wurden landesweit verkauft. Die Abschaffung des „Ferintosh-Privilegs“ im Jahr 1784 führte zu einem starken Rückgang der Verfügbarkeit des berühmten Produkts und inspirierte Robert Burns in seinem Gedicht Scotch Drink zu den berühmten Zeilen, die die Trauer über diese Entwicklung zum Ausdruck brachten – „Thee Ferintosh! O sadly lost! Scotland lament frae coast to coast!“

UNTERSCHIEDLICHE REGIONEN, EINZIGARTIGE STILE

Andere Whisky-Regionen entstanden erst später. In der Blütezeit des Whisky-Schmuggels wurde beispielsweise Glenlivet berühmt für die Qualität der Spirituosen, die in den kleinen Brennereien im Tal und in den umliegenden Ländereien von Strathspey gebrannt wurden. Die Whiskyregion „Glenlivet“ wurde nie genau abgegrenzt und bezog sich eher auf einen lokalen Whisky-Stil als auf einen konkreten geografischen Ort. Ursprünglich wurde er als Single Malt getrunken, spezialisierte sich dann aber auf einen reichhaltigen, „fetten“ Stil, der bei Blendern beliebt war, die ihren Blended Scotches Körper und Geschmack verleihen wollten.

Im späten 19. Jahrhundert gab es einen langwierigen Streit um das Recht, den Namen Glenlivet als Markenzeichen zu verwenden. In der Folge wurde häufiger der Name „Speyside“ verwendet, um diese Whiskyregion zu beschreiben.

In der Zwischenzeit waren die Insel Islay und die kleine Stadt Campbeltown in Kintyre für ihre charakteristischen Whisky-Stile bekannt geworden. Campbeltown war einst als die Whisky-Hauptstadt der Welt bekannt und beherbergte in seiner Blütezeit rund 30 Brennereien. Wie Islay war auch diese Insel dafür bekannt, die kräftigsten und torfigsten Whiskys des Landes zu produzieren, die bei der Herstellung von grossen, rauchigen Verschnitten sehr geschätzt wurden.

NOCH MEHR VERWIRRUNG

Dies waren also die fünf bekanntesten Whisky-Regionen Schottlands und für einen Grossteil des 20. Jahrhunderts wurden ihre Namen zu einer Art Synonym für verschiedene Stile von Single Malt Scotch Whisky. Heute sind sie gesetzlich definiert.

In den 1980er Jahren jedoch, zur Zeit der Wiederentdeckung der Single Malts als grossartige Whiskys, versuchten viele Journalisten, diese regionalen „Klassifizierungen“ zu verfeinern. Der verstorbene, grossartige Michael Jackson war Vorreiter mit seiner Einteilung der Highlands in die Regionen West, East, North und Midland, der Einteilung von Speyside in die Unterregionen, die von den Tälern der Flüsse Spey, Findhorn, Lossie, Livet und den Flüssen Fiddich und Dullan gebildet werden, und den Western Islands. Sogar Inverness wurde als Unterregion der Highlands vorgeschlagen — immerhin beherbergt es mehr Brennereien als das leider im Niedergang begriffene Campbeltown.

Die mächtige Marke United Distillers (heute Diageo) machte den Begriff der Whisky-Regionen mit der Einführung der ersten „Classic Malts“-Kollektion im Jahr 1988 noch populärer und sorgte gleichzeitig für ein wenig Verwirrung. Die Classic Malts wurden als Whiskys beworben, die die sechs klassischen Regionen Schottlands repräsentieren. Diageo hatte jedoch keine Destillerie in Campbeltown, weshalb dieser Ort nicht vertreten war. Stattdessen stellte United Distillers die Regionen Highland (repräsentiert von Dalwhinnie), Speyside (Cragganmore), die Lowlands (Glenkinchie), Islay (Lagavulin), die Western Highlands (Oban) und die Inseln (Talisker) vor.

EIGENE VORSTELLUNGEN

Aber natürlich ist es das gute Recht von Journalisten und anderen, Regionen zu identifizieren und zu charakterisieren, wie sie es für richtig halten. Die Scotch Whisky Regulations von 2009 klassifizieren lediglich die Grenzen von fünf Gebieten in Schottland – sie verpflichten die Brennereien nicht, diese Namen zu verwenden. Auch erklärt die Scotch Whisky Association, SWA, in ihren Leitlinien: „… obwohl nur die fünf traditionellen Orte und Regionen in den Verordnungen definiert und geschützt wurden, ist es dennoch erlaubt, in genau derselben Weise einen anderen schottischen Orts- oder Regionalnamen zu verwenden, solange der Scotch Whisky vollständig an diesem Ort destilliert wurde. So darf zum Beispiel Single Malt Scotch Whisky, der auf den Orkney-Inseln destilliert wird, als ‚Orkney Single Malt Scotch Whisky‘ deklariert und verkauft werden …“

Heutzutage kann es schwierig sein, den Stil eines Whiskys aus einer einzelnen Brennerei, geschweige denn aus einer Region, zu definieren. Es gibt getorfte Speysider, ungetorfte Islays und eine neue Generation von Destillerien in den Lowlands, die versprechen, eine Vielzahl unterschiedlicher Spirituosen-Stile zu liefern und nicht nur die weichen, sanften, von der Tradition vorgegebenen.

Die Whisky-Regionen in Schottland sind nichts anderes als die Regionen des Landes, in denen Whisky hergestellt wird. Es macht viel Spass sie zu erkunden – sowohl im Glas als auch vor Ort. Und wenn Sie glauben, dass es eine Region gibt, die noch nicht definiert wurde, dann können Sie dies gerne selbst tun.

Ich persönlich bin ein grosser Fan der Easter Rosser …

Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Unfiltered 56 im April 2021 veröffentlicht.